Klassifizierung von Medizinprodukten (2024)

Der Begriff Klassifizierung ist beiMedizinprodukten mehrfach belegt:

  • Die ersteKlassifizierung betrifft die Abgrenzung vonMedizinprodukten, Nicht-Medizinprodukten und Zubehör zu Medizinprodukten.
  • Die nächste Klassifizierung bezieht sich aufden Typ von Medizinprodukten bzw. der anzuwendenden EU-Richtlinien, konkret die MDD, die IVD und die AIMD.
  • EinigeRichtliniendefinieren selbst wiederKlassen wie die Klassen I, IIa, IIb und III bei der MDD.
  • Unabhängig davon führt die Norm IEC 62304 dieSicherheitsklassen A, B und C ein.

Wichtige Updates

  • Einige benannte Stellen akzeptieren die Anwendung der Klassifizierungsregeln gemäß Anhang IX der MDD gegebenenfalls nicht!Mehr »
  • MDR führt neue Klasse Ir ein.
  • Software kein aktives Medizinprodukt mehr?!?Mehr »

Die verschiedenen Klassifizierungen beiMedizinprodukten

1. Medizinprodukte, Nicht-Medizinprodukte und Zubehör

Die Entscheidung, ob ein Produkt ein Medizinprodukt, ein Nicht-Medizinprodukt oder ein Zubehör ist, muss anhand derBegriffsdefinitionen gefällt werden, die in den EU-Richtlinien v.a. in der Medizinprodukte-Richtlinie 93/42/EWGzu finden sind.

Wir haben für Sie einen eigenen Beitrag über dieKlassifizierung von Software alsMedizinproduktverfasst.

Abhängig davonmüssen die Regularien des Medizinprodukterechts eingehalten werden.

2. Medizinprodukt, In-vitro Diagnostikum, aktive implantierbare Medizinprodukte

Während die Entscheidungob Medizinprodukt oder Nicht-Medizinprodukt regelmäßig zu Diskussionenführt, fällt die Klassifizierung desTyps von Medizinprodukt („normales“ Medizinprodukt, In-vitro Diagnostikum, aktives implantiertbares Medizinprodukt) meist leichter.

Abhängig von dieser Klassifizierung bestimmt sich die anzuwendende EU-Richtlinie.

3. Klassifizierung nach Medizinprodukterichtlinie MDD

Medizinprodukte, die unter dieMedizinprodukterichtlinie fallen, müssen wiederum einer der folgendenKlassen zugeordnet werden:

  • Klasse I
  • Klasse I mit Messfunktion (Im) und sterile Medizinprodukte der Klasse I (Is)
  • Klasse IIa
  • Klasse IIb
  • Klasse III

Diese Einteilung erfolgt anhand der Klassifizierungsregeln im Anhang IX der Richtlinie. Stand-alone Software fällt häufig in die Klasse I. Im Gegensatz zur Klassifizierung der FDA fällt ein Produkt in die niedrigste Klasse, wenn keine Regel Anwendung findet.Das führt teilweise zu Problemen, die Sie weiter unten adressiert finden.

Abhängig von dieser Klassifizierung bestimmen sich die Konformitätsbewertungsverfahren, die für das Produkt angewendet werden dürfen.

4. Sicherheitsklassen nach IEC 62304

Die IEC 62304 definiert drei Sicherheitsklasse (A, B, C) abhängig vom Schweregrad möglicher Schäden im Fall, dass die Software Fehler enthält. Bitte lesen Sie hier einedetaillierte Diskussion der Sicherheitsklassen.

Abhängig von dieser Einteilung in Sicherheitsklassenbestimmt sich der Umfang der Software-Dokumentation.

Wann die Klassifizierungsregeln nicht gelten!?!

Regel ist Regel. Sollte man meinen. Doch einige benannte Stellen akzeptieren die Klassifizierung der Hersteller insbesondere von standalone Software nicht.

Weshalb die benannten Stellenvon den Klassifizierungsregeln abweichen

Der Anhang IX der Medizinprodukterichtlinie gibt das Regelwerk zur Klassifizierung vor. Meist erfolgt dieUnterscheidung zwischen den Klassen IIa und IIb anhand der Frage, ob etwas„in a potentially hazordous way“geschehen könnte. Falls ja, ist man bei IIb, falls nein bei IIa.Das finden Sie imentsprechendenMED-DEV Dokument (MED DEV 2.4/1)illustriert.

Klassifizierung von Medizinprodukten (2)

Falls jedoch keine der anderen Regeln greift, landetein Medizinprodukt in der Klasse I. Ein Beispiel dafür istkritische Software wie zur Planung und Berechnung von Medikamenten wie Zytostatika. Klasse I, obwohl wir uns alle über die potenziellen Folgen eines falschen Medikaments oder einer falschen Dosierung im Klaren sind.

Auf der anderen Seite fällt eine Software zum Planung und Berechnungeiner Strahlentherapie in die Klasse IIb, weil damit (indirekt) ein Gerät der Klasse IIb beeinflusst wird.

Das empfinden die benannten Stellen — wie ich finde mit Recht — als inkonsistent.

Aus welcher juristischen Basis diese Interpretation fußt

Die benannten Stellen berufen sich dabei aufdie eben genannte MEDDEV 2.4-1 Ref. 9 zur Klassifizierung. Dort steht geschrieben:

The classification of medical devices is a ‘risk based’ system based on the vulnerability of the human body taking account of the potential risks associated with thedevices. […] It is recognized that although the existing rules will adequately classify the vast majority of existing devices, a small number of products may be more difficult toclassify. […] In addition there may bedevices that cannot be classified by the existing rules because of their unusual nature or situations where the classification would result in the wrong level ofconformity assessment in light of the hazard represented by the device.

Alternative Klassifizierung

Daher ziehen sich manche benannte Stelle in diesen Fällen auf eine alternative Klassifizierung zurück:

  • Klasse I: Keine Verletzung möglich
  • Klasse IIa: Leichte Verletzung möglich
  • Klasse IIb: Schwere Verletzung oder Tod möglich

Damit wäreeineZytostaktika-Appgenauso zu klassifizieren wie eine App zur Bestrahlungsplanung: In Klasse IIb und ebennicht in Klasse I. Das ist aber ein riesiger Unterschied.

Neue Klassifizierung durch die MDR?

Laut einem Blog-Beitragwird die künftigeMedizinprodukte-Verordnung MDR standalone Software nicht mehr als aktives Medizinprodukt klassifizieren.

Was ist neu?

Die bisherige Medizinprodukterichtlinie MDDklassifiziert standalone Software explizit(!) als aktives Medizinprodukt. Für aktive Medizinprodukte sind i.d.R. höhere Klassen (I, IIa, IIb, III) gemäß Anhang IX anzuwenden. Bereits jetzt heißt es dort „Software, die ein Produkt steuert oder dessen Anwendung beeinflusst, wird automatisch derselben Klasse zugerechnet wie das Produkt.“

In der künftigen MDR heißt es:„Software, die ein Produkt steuert oder dessen Anwendung beeinflusst, wird automatisch derselben Klasse zugerechnet wie das Produkt. Wenn die Software unabhängig von einem anderen Produkt ist, wird sie unabhängig klassifiziert.“Das ist eigentlich nichts Neues.

Motivation und Konsequenzen

Nun könnte man vermuten, dass das o.g. genannte Problem ( Software zu Dosierung von Zytostatika ist gemäß MDD als Klasse I zu klassifizieren), Auslöser der geänderten Definition ist. Aberauch gemäß MDR bleibt die Klassifizierung für dieses Produkt unverändert (KlasseI).

Wie sieht es aus mit der bisherigen Regel10 (aktive diagnostische Produkte)? Software wäre dann nicht mehr aktiv und ein radiologisches Bildbetrachtungsprogramm fiele nicht mehr in Klasse IIb sondern Klasse I! Ist das Absicht?

Wenn das Ziel darin bestünde,die tatsächlichen Risiken von standalone Software besser zu adressieren und diese ggf. höher zu klassifizieren, kann man nur sagen: Ziel verfehlt. Setzen sechs.

Danke an Raymond Lohrmann für den Lese-Tipp

Wer entscheidetüber die Klassifizierung?

Die Festlegung der oben genannten Klassen obliegt dem Hersteller. Die benannten Stellen können dem widersprechen. Einigen sich Hersteller und die benannte Stelle nicht, sind (außer bei Sicherheitsklassen) die Landesbehörden zuständig. Das DIMDI hat eine Liste dieser Landesbehörden veröffentlich. Beispielsweise ist zuständig

  • in Baden-Württemberg das Regierungspräsidium Freiburg,
  • in Bayern einige Regierungen,
  • in Berlin das LaGeSo, Landesamt für Gesundheit und Soziales (das sind die mit den Schlangen von Flüchtlingen) und
  • in Nordrhein-Westfalen die Bezirksregierungen.

Leider sindeinige dieserÄmter überlastet, weshalb Antworten nicht immer in der gewünschten Zeit erfolgen.

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